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Aus einem geplanten Hike-and-Fly am Mont Blanc…

…wurde ein unvergesslicher Aufstieg auf den Alphubel.

Es folgt ein langer Text verfasst von Bob, wem der zu lang ist: Es war anstrengend und aber sehr geil. Ein Video wird es wahrscheinlich auch noch geben. Den Lesefreudigen, viel Spaß beim Lesen.

Bereits im Frühjahr dieses Jahres hatte sich eine kleine Gruppe von zehn Elztalfliegern dazu entschlossen, ein Hike-and-Fly vom größten Berg der Alpen, dem Mont Blanc (4.807 m), zu versuchen.

Als der Termin näher rückte, musste ein Großteil der Gruppe aus verschiedenen Gründen das Vorhaben vorzeitig beenden. Die Gruppe dezimierte sich auf uns Drei: Robin G., Lukas G. und Bob, die fest entschlossen waren, den Mont Blanc zwischen dem 1. und 10. September zu besteigen und mit dem Gleitschirm herunterzufliegen (vor September gilt ein striktes Startverbot am Mont Blanc).

Die von uns selbst gesteckten Rahmenbedingungen waren eindeutig:

Keine Bergbahnen vom Tal aus nutzen, alles aus eigener Kraft erreichen, ausschließlich unter freiem Himmel schlafen und unsere komplette Ausrüstung selbst tragen.

Die Umsetzung eines solchen Vorhabens am Mont Blanc erwies sich leider als viel schwieriger als gedacht. Um den Berg über den Normalweg besteigen zu dürfen, müssten wir uns an einer der drei Hütten (Tête Rousse, Nid d’Aigle, Refuge de Gouter) einmieten, selbst wenn wir nur Biwakieren wollten. Das Schlafen unter freiem Himmel ohne Buchung am Mont Blanc ist strengstens verboten.

Deshalb mussten wir uns zunächst durch ein kompliziertes Buchungssystem kämpfen und einen Schlafplatz beantragen. Wenige Tage später wurde unsere Anfrage jedoch storniert. Trotz mehrfacher Versuche stellten wir fest, dass man bei gutem Wetter ohne Kontakte oder Bergführer kurzfristig keinen Schlafplatz mehr bekommen konnte, geschweige denn die Erlaubnis, den Berg zu besteigen und herunterzufliegen. Schade.

Die einzige Option, den Berg zu besteigen, wäre der Aufstieg über die Cosmiques-Route gewesen. Hierfür hätte man mit der Bergbahn vom Tal zur Bergstation der Aiguille du Midi auf 3.842 Metern Höhe fahren müssen um von dort aus den Berg besteigen können. Das entsprach jedoch nicht unseren ursprünglichen Vorstellungen.

Da wir uns bereits Zeit genommen hatten und das Flugwetter überragend gut vorhergesagt war, entschieden wir uns für einen anderen Gipfel, den Alphubel mit 4205 Metern.

So fuhren wir am Freitagabend (01.09.) mit Robin in seinem frisch erworbenen VW Passat los. Die erste Nacht verbrachten wir zur Akklimatisierung und zum Testen der Schlafausrüstung auf dem Grimselpass (2165 Meter). Die Ausrüstung funktionierte. Hier hatte jeder seine individuelle Ausstattung. Alles hing von Gewicht und persönlicher Empfindlichkeit ab. Bob schlief während der Tour in einem Biwakzelt mit Schafsack, wobei sein Gleitschirmeqipment als Isomatte diente. Robin nahm einen wasserdichten Schlafsacküberzug, gefüttert mit seinem Gleitschirm und einer Isomatte, während Lukas in einem wasserdichten Biwaksack schlief, ausschließlich in seinen Gleitschirm eingewickelt. Einigen Menschen scheint Kälte einfach nichts auszumachen.

Am Samstagmorgen packten wir unser Zeug zusammen und fuhren nach Täsch (1449 Meter). Dort wollten wir zunächst noch eine Nacht verbringen, um gestärkt die Tour anzugehen. Wir erkundeten den Ort und machten etwas Groundhandling. Robin und Lukas, mit ihrer ansteckend sympathischen, ungeduldigen und überaus optimistischen Art, schlugen vor, sofort mit dem Aufstieg zu beginnen und nicht erst eine Nacht im Tal zu verbringen. Nach einer kurzen Besprechung stimmte auch Bob zu, und wir drei begannen, unsere Rucksäcke zu packen. Nur das Nötigste durfte mitgenommen werden: Flugausrüstung, Bergausrüstung, Schlafausrüstung, Müsliriegel, Trockenfleisch, Käse und Wasser. Mit jeweils etwa 16 Kilo auf dem Rücken machten wir uns auf den Weg. Robin trug zusätzlich das Kletterseil und ein Spaltenrettungsset, danke dafür.

Nach etwa 400 Höhenmetern gab es die erste kleinere Herausforderung zu bewältigen. Der normale Wanderpfad war durch eine Felsspalte unterbrochen, das Überwinden stellte keine größeren Probleme dar. 

Die erste kleine Hürde….

Nach weiteren knapp 350 Höhenmetern erreichten wir unser Schlafquartier auf 2225 Metern, am frühen Abend, auf einer Kuhweide in der Nähe der Täschalp.

Wir legten unsere Rucksäcke ab, zogen uns um, richteten unsere Schlafplätze ein und gingen zur Nachtruhe über. Aus der Ferne waren Kuhglocken zu hören, aber die Kühe, auf deren Weide wir zu Gast waren, schienen sich durch uns nicht weiter beeindrucken zu lassen.

Der erste Morgen, Lukas staunt über die Aussicht

Um 6 Uhr am Sonntagmorgen (03.09.) setzten wir unseren Aufstieg fort. Unser Ziel für diesen Tag war das Alphubeljoch (3750 Meter). Da wir den ganzen Tag für die ca. 1500 Höhenmeter eingeplant hatten, gab es keinen Grund zur Eile. Nach den ersten 500 Höhenmetern machten wir an der Täschhütte Halt, um ein Frühstück aus Lukas‘ selbst-gemachtem Reh-Trockenfleisch und Müsli-Fruchtriegeln zu genießen. Gestärkt und erholt setzten wir unseren Weg fort. 

Es war faszinierend zu beobachten, wie sich die Landschaft mit der Höhe veränderte. Im Tal sah es fast so aus wie zu Hause, doch je höher wir kamen, desto weniger Vegetation gab es, bis wir schließlich nur noch von Steinen und Felsen umgeben waren. Gelegentlich sahen wir ein paar Steinböcke, die uns neugierig aus der Ferne beobachteten. Herrlich.

Bei etwa 3100 Metern fanden wir zwischen den Steinen sogar etwas Schnee. Wenige Momente später erreichten wir einen kleinen Bergsee. Ohne zu zögern, zogen Lukas und Robin ihre Kleider aus und stürzten sich in das 3° kalte Wasser. Bob war etwas irritiert und mit der Situation überfordert, packte sein Handtuch aus und kümmerte sich in etwas defensiverer Art und Weise um seine Körperhygiene.

Robin und Lukas im Bergsee.

Nach der erfrischenden Abkühlung und einer kleinen Stärkung mit Traubenzucker und Käsebrot setzten wir unseren Aufstieg fort. Bei etwa 3300 Metern dominierte Eis und Schnee, daher legten wir unsere Steigeisen und Klettergurte an. Ab diesem Punkt bildeten wir eine Seilschaft, mit Lukas vorne, Bob in der Mitte, der am wenigsten Bergerfahrung hatte, und Robin mit dem Überblick ganz hinten.

Das Gehen wurde anstrengender, die Höhenluft und die Erschöpfung waren uns anzumerken. In einer kurzen steinigen Passage stolperte Bob über seine eigenen Steigeisen und zog sich eine kleine Wunde zu. „Des isch mir au scho passiert, des mocht nix“, rief Robin tröstend von hinten zu.

Robin, normalerweise als hektisch und risikofreudig bekannt, agierte als Seilschaftsführer überaus sicherheitsbewusst und nahm die Hektik aus kritischen Situationen heraus. „Moche longsam, mir hen Zit‘“, wiederholte er mehrmals.

Noch etwa 200 Höhenmeter bis zu unserem Tagesziel. „Nur noch ä holbes mol de Gschasi“, motivierte Lukas den erschöpften Bob. „Gschasi“, die Maßeinheit während der gesamten Tour. Robin, mit einem Rucksack auf dem Rücken und dem Wendegurtzeug vorne am Bauch, stimmte dem grinsend mit aller Gelassenheit zu.  Etwa eine Stunde und viele Pausen später erreichten wir unser Tagesziel, das Alphubeljoch auf 3750 Metern.

Obwohl es erst 15:30 Uhr war, richteten wir bereits unsere Nachtlager ein. Lukas und Robin, mit ihrer scheinbar unendlichen Energie, schlugen sich mittels Eispickel 50 cm tiefe Löcher in das Eis, um darin zu übernachten.

Lukas und Robin beim Errichten ihrer Schlafstätte

Bob, dessen Energiereserven für den Tag aufgebraucht waren, trat ungläubig den Schnee nieder und stellte sein Biwakzelt daneben auf. Von unseren Schlafplätzen aus hatten wir einen atemberaubenden Blick auf das Matterhorn.

Auch ohne Filter hammer Farben…

Ab 18:00 Uhr war Nachtruhe angesagt. Der Plan für den nächsten Tag: um 4:00 Uhr aufstehen und die restlichen 455 Höhenmeter zum Gipfel erklimmen, dann mit unseren Gleitschirmen ins Tal abgleiten .

Am Montag um 5:00 Uhr hörten wir hektisches Reißverschluss-Geräusch. „Jungs, uffstohe, mir hen verpennt!“, rief Robin aus seinem Eisloch. Obwohl wir alle in dieser Höhe kaum geschlafen hatten, haben wir’s geschafft zu verschlafen. Also standen wir auf, zogen uns an, packten zusammen und machten uns auf den Weg.

Es war noch dunkel, als wir uns auf den Weg machten. Wie gewohnt, ging Lukas voran, gefolgt von Bob in der Mitte und Robin, der als Seilschaftsführer am Ende lief. Wir waren wesentlich schneller unterwegs als am Vortag, offensichtlich hatten sich unsere Körper trotz des schlechten Schlafs gut erholt. Wohlwissend, dass die steilsten Passagen des Aufstiegs noch vor uns lagen bremste Robin uns erneut mit den Worten „longsam, Jungs, mir hen Zit!“ aus. Man merkt ihm seine alpine Erfahrung einfach an. Langsam geht die Sonne auf…

Bob bindet seine Schuhe, Robin genießt die Aussicht auf knapp 4000m

Bald erforderte jeder Schritt höchste Konzentration und Energie. Es wurde stetig steiler, anspruchsvoller und anstrengender. Um 8:30 Uhr am Montag erreichten wir den Gipfel. Vorwind. Geil. Die Aussicht war unglaublich. Eine unbeschreibliche Freude und Erleichterung erfüllte uns, auch wenn das nicht jedem von uns dreien anzusehen war.

Gipfelbild, links Robin, Mitte Bob, Rechts Lukas (vom Betrachter aus)

Kurz nach uns erreichten zwei Franzosen den Gipfel, nach einem kurzen Gespräch machten wir gegenseitig Gipfelfotos und wir Drei begannen damit, unsere Gleitschirme auszulegen.

Es fühlte sich fast surreal an, sich in dieser Höhe startklar zu machen. Wir starteten in der Reihenfolge unserer Seilschaft: Lukas, Bob, Robin. Der Wind kam perfekt aus Nordost, etwa 20 km/h. Der Startplatz war lang und wurde kontinuierlich steiler. So gut, dass selbst Erwin diesen Startplatz abgesegnet hätte.

letzte Startvorbereitungen, Robin mit seinem BGD Cure vor dem Gipfelkreuz

Lukas zog seinen Schirm rückwärts auf, stabilisierte ihn, drehte sich aus und rannte los. Kurz darauf Bob und Robin. Aufziehen, stabilisieren, ausdrehen, rennen, rennen, rennen, noch mehr rennen, und dann waren wir in der Luft. Aufgrund der Höhe benötigten unsere Schirme trotz des starken Gegenwinds extrem viel Strecke, um abzuheben.

Endlich in der Luft… Lukas mit seinem Skywalk Chili

Der reine Abgleiter dauerte etwa 30 Minuten und 2700 Höhenmeter. Die Belohnung für die Anstrengungen der letzten drei Tage. Unsere Landung erfolgte genau dort, wo wir 40 Stunden zuvor gestartet waren, in Täsch, bei Robin seinem frisch erworbenen VW Passat.

Wir fühlten uns glücklich, zufrieden und erschöpft, mit einem ordentlichen Sonnenbrand und der Erkenntnis, dass es nicht der Mont Blanc sein muss, um ein Abenteuer zu erleben. Den Mont Blanc werden wir vielleicht trotzdem noch machen, aber nicht mehr in diesem Jahr….

(Aus unserem Video- und Bildmaterial machen wir wahrscheinlich noch ein kleines Video, bei Interesse stellen wir den Link hier gerne bereit…)

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